Maskenball in Venedig

Roadtrip in Norditalien? Was darf hier nicht fehlen? Natürlich ein Städtetrip ins schwimmende Venedig. Das Wunder von Venedig. Flanieren durch die schmalen Gassen und über unglaublich schöne Brücken. Eine Stadt gebaut auf 100 Inseln. Nach Venedig zu reisen ist ein Muss während jeder Rundreise. Was wir aber dieses Jahr, 2018, erlebten, war in jeder Hinsicht ein Ball: Ein Maskenball der Touristen.

Venedigs genussvolle Rache

Das erste Mal war ich 2012 in Venedig und war einfach nur begeistert! Wir sind damals vom Festland mit einem Schnellboot nach Venedig transportiert worden. Es gab wenige Touristen trotz sommerlichen Temperaturen. Gemütliche Venezianer flanierten entlang des Markusplatzes. Wir konnten in Ruhe diese prachtvolle Stadt bewundern und bestaunen.

 

Kleine Anekdote:  Zuerst kamen wir uns vor wie in einem Irrgarten. Nach dreimaligem Fragen, wie wir zum Markusplatz kommen, und dreimal die Antwort „straight on“ erhielten, kamen wir zu dem Entschluss, dass die Italiener wahrscheinlich immer geradeaus sagen. Nachdem wir „straight on“ liefen, gelangten wir nämlich direkt nach einer Brücke zu einer Hauswand. Hier ging es nicht weiter! Okay, nach einer Stunde umherirren fanden wir ihn endlich: Den Markusplatz. Und seine Tauben.

 

Dieses Jahr, 2018, entschieden wir uns mit dem Auto über die Brücke zu fahren und in einem Parkhaus zu parken. Da wir lauffaul waren (die Bestrafung folgte auf dem Fuße), wollten wir im San Marco Parkhaus unser Auto abstellen. Wir fanden es auch gleich. Jedoch war es voll. Gleich daneben entdeckten wir ein „Parkhaus“, welches 24h geöffnet hat. Erst nachdem wir aufgefordert wurden ein Ticket zu ziehen, bemerkten wir den Autostau vor uns! Kurz darauf forderte uns ein genervter Italiener auf, den Schlüssel im Auto zu lassen. Okay, zunächst einmal waren wir etwas geschockt, aber naja jetzt waren wir drin, also c’est la vie ma chérie!

 

Froh und munter gingen wir in Richtung Altstadt. Kurzer Blick auf Google: 1,4 km zum Markusplatz. Kein Problem! Dachten wir. Doch auch dieses Jahr nahm der Irrgartenlauf durch Venedig kein Ende. Wir liefen und liefen. Venedigs persönliche Rache an dem Massentourismus. Ja, die Stadt rächt sich auf ihre eigene, irreführende Weise. Und wir liefen weiter. Und wir kamen nicht an. Google irrte mit uns. Nach 20 Minuten gaben wir auf und versuchten den Schildern an den Hauswänden zu folgen. Die Schilder in Venedig hängen oben, sehr weit oben. Meine Theorie: Falls Hochwasser ist, für die Boote. Es war heiß. Zu Beginn konnten wir noch fröhlich Bilder machen. Aber auf einmal sind wir in einer Straße gelandet, rechts und links Touristen. Rechts und links Touri-Stände mit Masken.

Wo sind wir nur? Ich sah nur Menschen. Wo ist Venedig? Es fühlte sich an, als sei es verschluckt worden. Untergegangen im Strom der Touristen. Verschluckt von den Massen. Keine Brücken mehr. Keine Fotos. Eine Flucht. Flucht durch Venedig. Weg von den Touristen. Von der Menschenmenge, die uns mit sich reißt. Ich kam mir vor, wie auf einem Maskenball. Ein Maskenball der Touristen. Jeder trägt seine eigene lächerliche Maske. Masken mit Fratzen. Verschwitzt und ausgelaugt. Müde. Traurig. Fröhlich. Beängstigt. Glücklich. Eine einzige Hetzjagd über Brücken, durch enge Gassen. Immer weiter. Weiter. Es nimmt kein Ende. Kein Entkommen. Und die Erde dreht sich weiter. Und Venedig steht still. Und alle wollen Fotos. Die Erinnerungen festhalten. Bloß nichts vergessen. Den daheim gebliebenen, das Wunder Venedig zeigen.


Unfähig die Schilder zu lesen und stur geradeaus blickend, entdeckte ich einen Mülleimer mit der Aufschrift „Go home Tourists“. Und ich musste lauthals lachen. Gefangen im Strom voller Touristen, stand ein einziger Mülleimer, der genau das aussprach, was ich dachte. Wie fühlen sich wohl die Einheimischen, gefangen in dieser Menschheit. Gefangen auf einem scheinbar nie endenden Maskenball. Ich weiß es nicht.

Venedigs endloser maskenball

Nachdem wir verzweifelt den Markusplatz erreichten, sahen wir noch mehr Touristen. Schnell versuchten wir Bilder zu machen. Schnell noch eine Maske kaufen. Ich entschied mich für eine Katze. Man will ja schließlich ein Teil des Maskenballs sein. Man will ja mittanzen. Unter den schelmischen, lachenden Gesichtern. Graziös wie eine Katze. Ein Teil sein. Ein Teil der Menge. Dazugehören. Bewundert werden. Und der Tanz nimmt kein Ende. Und die Masken lachen. Und die Katze leidet.

 

Wisst ihr was das Lustige an den Masken ist? Sie gehen über den Mund, welcher geschlossen ist. Man kann während des Maskenballs nicht sprechen. Stille. Ja, Stille. Das was diese Stadt braucht. Sie muss sich von diesem Lärm ausruhen. Diesen nie aufhörenden Massen. Aber der Maskenball nimmt kein Ende. Er dreht sich weiter. Wie die Erde. Er tanzt immer weiter. Und Venedig? Ja, Venedig schweigt unter dem Sturm der Massen. Es schwimmt weiter. Auf einer Stelle. Immer weiter. Venedig leidet. Der Tanz geht weiter. Die Masken lachen. Und die Katze tanzt.

 

Letzter Ratschlag: Geht nicht in den Sommermonaten! Wir werden wieder nach Venedig gehen, aber dann im März. Ohne Massentourismus!

 

Da Venedig unsere Lauffaulheit zuvor bestrafte, entschieden wir uns ein Wassertaxi zurück zum Parkhaus zu nehmen. Wir hatten definitiv keinen Plan wie wir zum Parkhaus zurückkommen sollten. Also hielten wir dem Wassertaxi-Fahrer (der uns wahrscheinlich abzockte) das Parkhaus-Ticket hin. Er verstand sofort. Uns war der Preis egal. Für vier Personen zahlten wir 60 Euro. Und ich kann jedem, der in Venedig ist, nur empfehlen mit einem Wassertaxi zu fahren! Es ist so unglaublich angenehm, durch diese wunderschöne Stadt gefahren zu werden. Und es ist ruhig. Man kann Venedig in Ruhe betrachten und erleben. Es war wirklich das schönste Erlebnis auf meiner Norditalien-Rundreise. Der Preis ist vollkommen in Ordnung (also keine Abzocke). Es war wirklich atemberaubend. Man lernt das bunte Venedig kennen. Mit den endlosen Farben. Blau. Grün. Rot. Türkis. Eine bunte Stadt voller Charme. So stellt man sich Venedig vor. So liebt man Venedig. So lernt man das wahre Gesicht dieser unfassbar eleganten Stadt kennen. Der Maskenball ist entfernt. Dreht sich langsamer. Immer weiter weg. So findet man Ruhe. Man kommt zur Ruhe. Und die die Katze schläft. Und Venedig leidet weiter.